Maxi und Christian beim Internationalen Open in Prag

Nach einem halben Jahr Corona-bedingter Spielpause konnten sich unsere Youngsters Maxi und Christian Zimmer endlich wieder mit realen Gegnern messen. Natürlich war man gespannt wie sich 6 Monate intensives Training zu Hause auf die Praxis auswirken würden.

Nebenbei hat die Tschechische Hauptstadt, die man per Auto oder Bus in 3 Stunden erreicht, kulturell einiges zu bieten. So zum Beispiel der Besuch von Rabbi Löws Grab (Geschichten vom Golem) auf dem alten jüdischen Friedhof mitten in der Altstadt. Corona-bedingt war es überall angenehm leer. Drängeleien in Straßenbahnen oder an Sehenswürdigkeiten gab es nicht.

Zum Turnier: Das jährlich stattfindende Prager Sommer-Open geht über 8 Tage und war diesmal auf 280 Teilnehmern in 2 Kategorien beschränkt. Gespielt wurde im riesigen Hotel Komplex Olympia in mehreren Turniersälen. Das A-Turnier war für GM, IM, FM und ambitionierte Ü-2000er belegt. Maxi und Christian waren im B-Turnier gemeldet, doch auch da auf hinteren Startplätzen gesetzt (63 und 77 von 89).

Christian hat weiter an Spielstärke zugelegt. Mit 4,5/9 erreichte er den 45. Platz bei einer Turnierleistung von 1638. In der ersten Runde bekam er es mit dem Franzosen Christian Delaruelle aus der oberen Hälfte zu tun (Partie siehe unten). Hier zeigte Christian seine ganze Klasse und spielte den Mann aus Le Havre völlig an die Wand. Die Engine zeigte mehrfach über +8 Vorteil. Doch von der langen Anfahrt direkt ans Brett reichte die Konzentration nach knapp 4 Stunden nicht, so dass die Partie nach zwei Fehlern noch aus der Hand gegeben wurde. In Runde 2 kam Christian gegen seinen einzigen wirklich schwächeren Gegner Stepan Kroulik zu einem schnellen Sieg. Am 3. Tag reichte es gegen den Österreicher Markus Schernthaner (1553) nach anfänglich vorteilhafter Stellung nur zum remis. Besser machte er es gegen Bedrich Hlavacek (1678) den er überraschend mühelos bezwingen konnte. Eine kleine Theorie-Schwäche in der Russischen Verteidigung nutze sein nächster Gegner Ladislav Kalvach (1761) zum Vorteil und schließlich zum Sieg. Mit 2,5 - 2,5 Punkten saß dann in der 6. Runde ein bemerkenswerter Spieler gegenüber. Der 9-jähtige Andrey Chernyy - zwei Jahre jünger als Christian - ein riesiges Nachwuchstalent, der in den anderen 8 Partien eine Turnierleistung von über 1800 hinlegte. Von ihm wird man sicher noch viel hören. Christians Drachen beantwortete er mit einer selten gespielten, aber perfekt vorbereiteten Variante. Dennoch gelang es Christian, den Druck abzuschütteln und einen offenen Schlagabtausch zu erzwingen, der dem Gegner viel Zeit und zwei Bauern kostete. Im 39. Zug fiel das Blättchen, der Punkt an Christian (Partie siehe unten). In der 7. Partie zeigte Christian, dass man mit Schwarz gegen einen stärkeren Gegner, Ladislav Michel (1676) auch mal Remis klammern kann. Das gelang ihm in der nächsten Runde gegen den starken Frantisek Korenek (1937) nicht. Den Abschluss bildete ein halber Punkt gegen die etwa gleichstarke Monika Strnadova.

Auch Maxi hat seine Spielstärke deutlich verbessert, selbst wenn das Ergebnis von 3 Siegen und 6 Niederlagen mit Rang 74 nicht ganz so ausschaut. Allerdings lagen alle 9 Gegner rating-mäßig höher. In der ersten Runde war gegen den deutschen TOP-U12- Spieler Christian Haubold (SG Einheit Staßfurt) kein Kraut gewachsen. Auch die 2. Runde gegen Pavlina Dudova ging verloren. Dafür setzte Maxi in Runde 3 mit einem mühelosen Sieg gegen Dominik Rous (1378) ein erstes Ausrufezeichen. Verloren wurde dann wieder gegen Tomas Gloser. als nach 4,5 Stunden und 60 Zügen mehrfach das rettende Remis verpasst wurde. Dafür gab es in der nächsten Runde einen überraschend deutlichen Sieg gegen den Nachwuchsspieler von Tarrasch München, Pierre Lipisnky (1446). Den ganz großen Auftritt hatte Max dann in der 6. Runde gegen den Engländer Louis Salussolia (1545). Diesmal von uns perfekt vorbereitet wurde der Brite in seiner Haus-Eröffnung kalt erwischt (Notation siehe unten), so dass die Partie nach 18 Zügen entschieden war. Leider kam nach dem 3-3- Punktestand kein weiterer mehr hinzu, obwohl die letzten drei Spiele keine schlechten waren. Zweimal stellte sich der Verlust erst nach über 4 Stunden und unglücklich verlaufenem Endspiel dar.

Alles in allem ein sehr gelungenes Turnier, das endlich wieder in der realen Welt stattfand. Schach als das, was es ist: ein Brettspiel.


Ergebnisse und Paarungen

Christian Zimmer (GER) - Christian Delaruelle (FRA)

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6 4.Sg5 d5 5.exd5 Sa5 6.Lb5+ Ld7 7.De2 Le7 8.Sc3 0–0 (bisher eine gängige Theorievariante im Zweispringerspiel) 9.Sge4 Lxb5 10.Dxb5 c6 11.dxc6 Sxc6?! (Schwarz steckt einen zweiten Bauern ins Geschäft, was aber ziemlich riskant ist) 12.Dxb7 Sd4 13.Sxf6+ Lxf6 14.De4 Db6 15.0–0 Tac8 16.Sd5 De6 17.c3 Sf5 18.d3 Tfd8 19.Sxf6+ Dxf6 20.Le3 Sd6 21.Dg4 De7 22.d4 exd4 23.Lxd4 (Weiß hat sich sukzessive befreien können und hat nun zwei Bauern mehr) f5 24.Df4 Te8 25.h3 g5 26.Dd2 Se4 27.De1 Db7 28.Dc1 f4 29.Te1 Ted8 30.Lxa7?! (unnötig riskant, den dritten Bauern zu nehmen. Der Läufer bleibt zwar durch Taktik gedeckt, doch der Gegner kommt zu Gegenchancen; besser wäre 30.Db1 oder sogar 30.Dc1) Tc4? (besser 30...Sf6 und Weiß verliert den Läufer; allerdings hat er nach 31.Te5 nebst Txg5+ und Dxe4 fünf Bauern dafür) 31.Dc2 Sd2 32.Tad1 (viel besser wäre 32.Le4! und Schwarz kann direkt aufgeben, weil auch noch der Springer hops geht. 32...Txe4 scheitert an 33.Te8+ mit entscheidendem Königsangriff) Dd5 33.b3 Tc6 34.Te2?? (ein böser Konzentrationsfehler, der den sicheren Gewinn aus der Hand gibt) Sf3+ 35.gxf3 Dxd1+ 36.Dxd1 Txd1+ 37.Kg2 Txc3 38.Te5 Tcc1 (droht Matt, aber Weiß ist schnell genug, die Stellung zu halten) 39.Txg5+ Kh8 40.Ld4+?? (hier fiel Christian auch noch einer Halluzination zum Opfer. Das undeckbare Matt auf Th1/Tg1 scheitert simpel an Lf4#. Nach 40.h4! entkommt der König und Weiß hat mit 3 Bauern gegen die Qualität sogar noch Gewinnchancen) Txd4 (jetzt ist natürlich Hopfen und Malz verloren) 41.h4 Tc2 42.a4 Tb2 43.Tb5 Td3 44.Tb4 Tdxb3 45.Txf4 Tb4 46.Tg4 Txg4+ 47.fxg4 Ta2 Weiß gibt auf.

Andrey Chernyy (CZE) - Christian Zimmer (GER)

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.Sc3 Sf6 4.d4 cxd4 5.Dxd4 Sc6 6.Lb5 Ld7 7.Lxc6 Lxc6 8.Lg5 g6 9.Lxf6 exf6 10.0–0–0 (von Weiß bisher wie aus dem Lehrbuch gespielt - vermutlich wurde er vorbereitet) Le7 11.De3 0–0 12.h4! (Weiß ergreift konsequent die Initiative) Te8 13.Dd2 Lf8 14.Tde1 Dd7 15.Df4 f5 16.e5?! (erste Ungenauigkeit; das Bauernopfer ist zu optimistisch) Lxf3 17.gxf3 dxe5 18.Dg3 Lh6+ 19.Kb1 Lf4 20.Dg2 Tad8 21.Td1 De6 22.h5 (Weiß wirft alles nach vorne) Txd1+ 23.Txd1 e4 24.fxe4 fxe4 25.Dh1 Dg4 26.h6 (sieht zwar gut aus, doch besser wäre das Schlagen auf e4) f5 27.Tg1?! (der falsche Plan, trotzdem bleibt es gefährlich für Schwarz) Df3 28.Dh4 e3 29.fxe3 Dxe3 30.Td1 Lxh6 31.a3 (31.Th1 gewinnt natürlich keine Figur, wegen Matt auf der Grundreihe; daher 31.h3) Df4 32.Dh1 b6 33.Sd5 Dg5 34.Sc7 Td8 (der Läufer auf h6 bleibt über Taktik gedeckt) 35.Se6 Txd1+ 36.Dxd1 De7 (risikoärmer wäre 36...Dd2, aber beide sind hoch in Zeitnot) 37.Dd5 Kf7 38.Sd4+ (Weiß findet keinen vernünftigen Abzug) Ke8 39.Sb3 f4 Zeit fällt - 0-1.

Maximilian Zimmer - Louis Salussolia (ENG)

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 Sf6 4.e5 Sfd7 5.Ld3 c5 6.c3 Sc6 7.Se2 Db6 8.Sf3 cxd4 9.cxd4 f6 10.exf6 Sxf6 11.Sc3 (von Weiß bisher wie aus dem Lehrbuch gespielt) a6 12.0–0 Ld6 13.Te1 0–0 14.Lg5 Kh8 15.Lf1!? (ein bekanntes Fallenmotiv im Französischen) Dxb2?? (reingefallen - der Bauer ist vergiftet) 16.Sa4 Db4 17.Ld2 Dxd4? (auf 17…Da3 folgt 18.Te3; dagegen hätte 17...Lxh3+ nur eine Figur verloren) 18.Sxd4 (natürlich ist es jetzt aus für Schwarz) Sxd4 19.f3 Lc7 20.Lc3 Sf5 21.Lxf6 Txf6 22.Ld3 b5 23.Lxf5 bxa4? (verliert wegen Grundreihenmatt eine weitere Figur) 24.Dxa4 (noch hübscher ist 24.Dxd5) Lb6+ 25.Kf1 g6 26.De8+ Kg7 27.Lxe6 Schwarz gibt auf.


(Dr. Frank Zimmer)